Wir haben noch nicht genug! 

Am 08.03. ist Weltfrauentag – Wir nehmen den Tag zum Anlass, um mit Frauen, die in der Feuerwehr sind, zu sprechen. Wie sind sie zur (Jugend-)Feuerwehr gekommen und was macht vielleicht eine gute Feuerwehr aus, in der viele Frauen in der Einsatzabteilung sind. Wie können wir mehr Frauen für ein Ehrenamt in der Feuerwehr begeistern? 

Denn statistisch gesehen sind die Frauen in der Feuerwehr in der Minderheit. 

Zum 31.12.2020 waren in Deutschland 105.493 Frauen, also 10,5 %, in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.  Die Tendenz ist steigend. Wenn man die Prozentzahl mit dem Anteil an Mädchen in der Jugendfeuerwehr vergleicht (knapp 28 %), stellt sich aber die Frage, warum nicht mehr junge Frauen in die FF übertreten. (Quelle DFV

Carmen Werner, seit 2011 Leiterin der Feuerwehr der Universitätsstadt Marburg, kam beispielsweise nach ihrem Maschinenbaustudium zur Berufsfeuerwehr als Quereinsteigerin und begeisterte sich für die technische Vielfalt und die Zusammenarbeit mit engagierten Menschen. In ihrer Ausbildung zur Berufsfeuerwehrfrau war sie stehts gefordert. „Beim Lehrgang selbst war ich als Frau immer die Erste, die zum Beispiel die Hakenleiter steigen, die Kettensäge anwerfen oder sich abseilen musste. Das war für mich aber nicht wirklich schlimm. Schlimmer ist es für mich, wenn das Zutrauen fehlt, dass eine Frau das Feuerwehrhandwerk ebenso gut beherrschen kann wie ihre männlichen Kollegen.“ 

Karin Plehnert-Helmke, heute u.a. Frauenbeauftragte und Ansprechpartnerin für die Kinderfeuerwehr, hat bereits als Kind in der Jugendfeuerwehr mitgemacht – auch weil alle anderen Kids im Dorf bei der JF waren. So kommen viele Mädchen zur Jugendfeuerwehr. Allerdings wird der Übertritt in die FF schwieriger. Denn dort kennen sie nicht mehr so viele, manchmal gibt es noch nicht einmal eine Frau in der Einsatzabteilung.  

Eine Möglichkeit, Frauen in der Einsatzabteilung gut zu integrieren, zeigt die Feuerwehr Hohenstein- Holzhausen ü. Aar. Sie konnten ihren Frauenanteil auf bis zu 50 % steigern, nachdem sich eine Gruppe von Frauen zusammenschloss und mehrere Monate für sich üben konnten, bis sie mit den alt eingesessenen Feuerwehrkameraden zusammen zu Übungen gingen. Die Frauen wurden durchgehend von der Mannschaft unterstützt, haben wie ihre Kameraden mehrere Lehrgänge besucht und sind in der Kinder- und Jugendfeuerwehr tätig.  

Wir haben alle interviewten Frauen gefragt, was sie sich für die Frauen in der Feuerwehr wünschen würden

  • Mehr Anerkennung von Männern. 
  • Mehr Vertrauen, dass die weiblichen Kameradinnen genauso viel leisten können und genauso gut arbeiten wie die Männer. 
  • Die Möglichkeit, passende Uniformen zu bekommen.  

Was muss passieren, damit mehr Frauen den Weg zur Feuerwehr finden (und dabeibleiben)? 

Aus unserer Sicht hängt viel von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt ab. Männer helfen Frauen und andersherum. So wie es unter Kameraden selbstverständlich ist. Jede Person hat Stärken, die es in der FF gilt, gut einzusetzen. Auch der Wunsch von Karin Plehnert-Helmke, dass Frauen besser von männlichen Vorgesetzten in der Feuerwehr gefördert werden sollen, zeigt, wie wichtig das Thema Wertschätzung von Frauen in der FF ist. 

Lernen die Mädels und Jungs bereits in der Jugendfeuerwehr und durch Vorbilder in ihrer eigenen FF, dass die Feuerwehr ganz selbstverständlich aus Männern und Frauen besteht, ist auch hier eine etwaige Hemmschwelle beseitigt. Oft haben wir gehört, dass es schwer ist, die einzige Frau in der Abteilung zu sein. Gerade als Quereinsteigerin ohne JF Erfahrung können Frauen das Gefühl bekommen, „dumme Fragen“ zu stellen oder bei jedem Fehler beobachtet zu werden. Als Chance, Frauen beim Einstieg in die FF zu helfen, sehen wir Patenschaften. Gibt es eine Frau oder einen Mann in der Feuerwehr, den die neue Kameradin kennt, könnte sich diese*r beispielsweise als Pate oder Patin eignen. An diese Vertrauensperson kann man sich wenden, wenn man Fragen hat oder es ein Problem gibt.  

Die Patenschaft ist nicht nur für Quereinsteigerinnen eine gute Idee, sondern auch für junge Frauen, die von der Jugendfeuerwehr in die Einsatzabteilung übertreten wollen und es möglicherweise beängstigend finden, in die FF zu gehen, wo sie niemanden kennen.  

Ein möglicher Eintritt mit mehreren Frauen ist sicherlich auch eine gute Möglichkeit, wie das Beispiel in der Feuerwehr Holzhausen zeigt. Übungsdienste, die zu Beginn nur für neue Kameradinnen angeboten werden, bietet eine Einarbeitung im geschützten Rahmen.  

Auf die Frage, was dabei helfen kann, dass mehr junge Frauen in die Einsatzabteilungen von der Jugendfeuerwehr übertreten, haben unsere Jugendsprecherinnen Celine und Laura ähnliche Gedanken geäußert: 

„Wichtig beim Übertritt ist das Beibehalten der tollen Kameradschaft und des Zusammenhaltes. Persönlich haben wir bisher nur positive Erfahrungen gemacht, besonders zu der Zeit unseres Übertrittes. Konkret ist es sehr hilfreich, wenn man ein Stück weit von anderen, bereits erfahrenen Kamerad*innen, an die „Hand“ genommen wird und so immer Ansprechpartner*innen hat bei Fragen und Co. Außerdem ist es auch ein schönes Gefühl direkt integriert zu werden und so bereits vielerlei Erfahrungen zu sammeln und Zugehörigkeit wahrzunehmen. 

Dies bezieht sich allerdings nicht konkret auf Frauen, denn allgemein sollte man mit Kameradinnen genauso umgehen, wie mit Kameraden auch. Vielmehr ist es nicht, was zum Wohlfühlen beiträgt und hilft, langfristig dabeizubleiben.“ 


Hier könnt ihr die vollständigen Interviews lesen:  

INTERVIEW 1 mit Carmen Werner:   

Carmen Werner, Feuerwehr Marburg

Warum wolltest du gerne zur Feuerwehr? (Warst du in der JF?) 

Ich war nicht in der Jugendfeuerwehr, da zu dieser Zeit in meinem Dorf überhaupt nicht um Mädchen und Frauen in der Feuerwehr geworben wurde. Bei der Feuerwehr bin ich erst mit meinem Berufseinstieg nach dem Maschinenbaustudium gelandet. Ich bin also eine sogenannte Quereinsteigerin. Die Idee hatte ich durch die Stellenausschreibung der Berufsfeuerwehr Frankfurt, die klang damals total interessant. Ich wollte mich mit technischer Vielfalt beschäftigen und mit engagierten Menschen in der Feuerwehr zusammenarbeiten. Das ist gelungen. 

Wie bist du Leiterin der Feuerwehr in Marburg geworden? 

Ich habe mich aus Frankfurt nach Marburg beworben und freue mich noch immer, dass das geklappt hat. Ich habe weiterhin viel mit Menschen und Technik zu tun – mache also weiterhin das, was mich bereits nach dem Studium begeistert und angetrieben hat. Zusätzlich sind die Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung und der Umgang mit der kommunalen Politik spannend. 

Welche Stolpersteine sind bei deinem Werdegang in der Feuerwehr aufgetaucht? 

Am Anfang konnte ich lange nicht beurteilen, wie ich mit schweren Einsätzen umgehen kann und ob ich in solchen Einsätzen überhaupt einen „klaren Kopf“ behalte. Der berufliche Grundlehrgang für Quereinsteigende von sechs Monaten findet in einer „Modellwelt“ ohne reale Einsätze statt. Wie es dann in der Realität laufen wird, kann man direkt nach Abschluss des Lehrganges noch nicht wissen. 

Beim Lehrgang selbst war ich als Frau immer die Erste, die zum Beispiel die Hakenleiter steigen, die Kettensäge anwerfen oder sich abseilen musste. Das war für mich aber nicht wirklich schlimm. Schlimmer ist es für mich, wenn das Zutrauen fehlt, dass eine Frau das Feuerwehrhandwerk ebenso gut beherrschen kann wie ihre männlichen Kollegen. 

Wenn du dir etwas wünschen könntest für die Frauen in der Feuerwehr, was wäre das? 

Ich habe den Eindruck, dass Fehler, die von Frauen gemacht werden, schwerer wiegen als die von Männern beziehungsweise, dass die Wahrnehmung und Bewertung der Fehler anders ist. Daher wünsche ich mir unter anderem eine Verbesserung der Fehlerkultur innerhalb der Feuerwehren, denn: Nur wer nicht handelt, macht auch keine Fehler. Aus unserem Handeln und auch aus unseren Fehlern können wir alle lernen und uns weiterentwickeln. 


INTERVIEW 2 mit Anja, Natascha, Laura und Rosita von der FF Hohenstein- Holzhausen ü. Aar 

Kurze Vorstellung: 

Anja: Seit 2008 in der FF. 

Natascha: Seit 2008 in die FF. Ist Kinderfeuerwehrwartin 

Laura: Seit 2010 in der JF, danach FF. Sie ist Betreuerin in der Kinder- und Jugendfeuerwehr.  

Rosita: Seit 2008 in der FF. Sie ist die Frau des ehemaligen Wehrführers. Sie ist Kinderfeuerwehrwartin.  

Alle haben den Grundlehrgang sowie weitere Lehrgänge erfolgreich absolviert. Außerdem besitzen einige Frauen den LKW-Führerschein, den sie über die Feuerwehr machen konnten. 

Wie seid ihr zur Feuerwehr gekommen? 

Ein schlechtes Ergebnis der Männer bei der Kreisleistungsübung brachte einige Frauen dazu zu sagen, das können wir aber besser! Gesagt, getan. Ab da gab es für 11 Frauen jeden Mittwoch in der FF einen extra Übungsdienst, damit sie sich u.a. für die KLÜ vorbereiten konnten. Ihnen war es am Anfang peinlich bei den Männern mitzumachen. Sie dachten, dass die Männer sie bei Fragen belächelten und nicht ernst nehmen. Nach ca. 6 Monaten sind die Frauen zu dem normalen Übungsdienst dazugekommen und Fragen, die sie nun stellten, wurden von den Männern stolz mitangesehen und auch diese konnten oft etwas dazu lernen. 

Bei der Kreisleistungsübung erreichten die Frauen noch vor den Männern, die Platz 3 belegten, den zweiten Platz! Noch schöner war es, als im Jahr darauf eine gemischte Mannschaft sogar den ersten Platz belegten 

Am Anfang war die Mehrzahl der Einsatzkräfte in Holzhausen Männer. Jetzt sind sie relativ ausgeglichen. Rosita, Natascha und Laura betreuen mittlerweile die Kinder- und Jugendfeuerwehr im Ort. Ihre Jugendfeuerwehr bereitet Jungs wie Mädels gut auf die FF. Dort wird nicht gedacht, dass die FF eine Männerdomäne ist. Als gutes Beispiel für eine sehr ausgeglichene Gruppe sind sie das beste Vorbild. Die Frauen haben den Grundlehrgang erfolgreich abgeschlossen, der direkt in ihrem Ort stattfinden konnte. Und Rosita und Anja haben u.a. den Feuerwehr Führerschein gemacht. 

Welche Stolpersteine können aus eurer Sicht auf dem Weg in die Feuerwehr aufgetaucht? 

Als Frau allein in die Feuerwehr zu kommen, kann vielleicht beängstigend sein. Die FF ist immer noch eine Männerdomäne. Und als Quereinsteigerin hat man es vielleicht schwerer, wenn man als Frau neu ist und keine anderen Frauen da sind.  

Wenn ihr euch etwas wünschen könntet für die Frauen in der Feuerwehr, was wäre das? 

Sektsorte anpassen 😊 Spaß beiseite, es hängt viel von den Kameraden ab. Wichtig ist, dass man als Frau gut aufgenommen wird. Die Männer sollen zu den Frauen in der Einsatzabteilung stehen und sich nicht „verstellen“ in deren Anwesenheit. Das ist für eine gute Zusammenarbeit wichtig.  

Was gebt ihr Mädels und Frauen mit, die sich für die Feuerwehr interessieren? 

Einfach mal hingehen! Es gibt viele Aufgaben, es ist für Jeden/ Jede etwas dabei.  


 Interview 3 mit Karin Plehnert-Helmke 

Karin Plehnert-Helmke

Warum wolltest du gerne zur Feuerwehr?  

Ich bin mit 12 Jahren in die Jugendfeuerwehr eingetreten. Alle Freunde gingen dort hin und dann haben wir Mädchen beschlossen uns auch anzumelden.  

Wie bist du zu deiner Position im LFV gekommen? 

Es wurde eine Landesfrauensprecherin gesucht. Eigentlich hatte ich wenig Interesse, aber mein damaliger Stadtbrandinspektor hat mich überzeugt es zu versuchen. 

Welche Stolpersteine sind bei deinem Werdegang in der Feuerwehr aufgetaucht? 

Ich habe einige Wahlen meist knapp verloren. Aber da ich voll hinter den demokratischen Werten der Feuerwehr stehe, gehört das für mich dazu. Zuweilen habe ich das Gefühl, dass meine Meinung erst gehört wird, wenn ein Mann sie wiederholtwink 

Wenn du dir etwas wünschen könntest für die Frauen in der Feuerwehr, was wäre das? 

Passende Einsatzkleidung und dass die meist männlichen Führungskräfte Frauen aktiv fördern, um sie für Führungsaufgaben fit zu machen und zu motivieren.


PS: Der Landesfeuerwehrverband Hessen (LFV) hat immer wieder Online-Workshops zum Thema „Cool bleiben: Mit Souveränität ans Ziel“. Zielgruppe: Feuerwehrfrauen, die sich im Feuerwehralltag souveräner positionieren möchten.

Bei Fragen wenden euch gerne an Corinna Mailänder, Projektkoordination „Feuerwehr – gemeinsam in die Zukunft“: corinna.mailaender@feuerwehr-hessen.de